Line Wasner is a visual artist living in Berlin.
By using the means of painting and drawing she features the creation
of stories made from found and invented leftovers in rooms.
In a conversational manner between the conditions of the place she works in,
material she finds there and a collection of work that she brings along,
she constructs the story.
The used material points towards beings, that are always already gone,
when she arrives. In the present of the spectators they have left behind
references to their past.
Considering that they have always just left, hints at their existence in the future.
In this context, any reference to the future remains a matter of speculation,
and reality itself becomes a matter of negotiation.
This aspect of uncertainty is the works' driving force.
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MONOPOL
Magazin für Kunst und Leben
Nr. 8/2009 August
Watchlist: Line Wasner
von Daniel Schreiber
An römische Hauswände erinnern sie, die Bilder von Line Wasner, mit ihren vielfachen
Übermalungen und der fast zufällig wirkenden Komposition. Man muss an die
Bildsprache des abstrakten Expressionismus denken, an Cy Twomblys farbberauschte
Kritzeleien oder Willem de Koonings Gestenreichtum: Von ihnen hat die 32-jährige
Berlinerin, die an der Weimarer Bauhaus-Universität und an der Glasgow School of Art
Kunst studiert hat, ihre Maltechniken inspirieren lassen.
Anfangs schuf Wasner Porträtzeichnungen – unter anderem von Angela Merkel, als
diese Kanzlerin wurde. Die Linien dieser Arbeiten wirken so, als wollten sie mit aller
Macht ihre beschreibende Funktion sprengen. Sowohl die Bewegung zur Malerei als
auch die Entwicklung zur Abstraktion sind den Werken hart abgerungen. Minutiös kann
man nachverfolgen, wie die Künstlerin versuchte, immer mehr zu reduzieren, so lange,
bis die Bilder nicht trotzdem, sondern wieder funktionierten.
Am deutlichsten tritt Wasners malerische Souveränität in „Emmi's room“ hervor, ihrem
Zyklus aus den vergangenen beiden Jahren. Emmi ist eine imaginäre Figur, wie die
Künstlerin sagt, ein hilfreiches Konstrukt. Die Leinwände stellen die Spuren ihres
vergangenen Lebens dar. Ein kleiner Kopf verbirgt sich hinter leuchtenden Farbflächen,
die wie abgerissene Tapetenfetzen wirken. Minimale, fast kindliche Linien erstrecken
sich in die vielen Abstufungen des Weiß des Hintergrunds. Prekär und feminin wirkt das
und verneigt sich vor den klassischen Vorbildern, ist aber zugleich weit von ihnen
entfernt.
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Über die Bildserie "Emmi's room"
von Korvin Reich
2010
Allerletzte Spuren
oder: Was von einem Leben übrig bleibt
Eine Wohnung übergeben. Besenrein. Der Umzug hat bereits stattgefunden, die Räume
sind leer. So gut wie leer. Was sich in diesem Zustand der Wohnungs-Auf-Lösung noch
anfindet, ist hartnäckig: Reißzwecken, Staubnester, Kleingeld, mumifizierte
Fliegenkörper.
Zeugen eines längst über-lebten Daseinsabschnitts, wertlos, sich nun demaskierend als
Müll und Schmutz, überall anders, überall gleich. Es scheint ebensoviel Mühe zu kosten
wie der Umzug selbst, auch die allerletzten Spuren zu beseitigen.
Die Bilder Line Wasners vom Zyklus „Emmi’s Room“ zeugen von diesen hartnäckigen
Spuren eines Lebens oder Lebensabschnitts, Zeichen, die sich überall ähneln, Chiffren
sind, aber dennoch, verborgen und gleichzeitig unverblümt, auf Geschichten verweisen.
Die Chiffren auf den Bildern zeigen diesen Charakter des Zeichenhaften und
Geheimnisvollen, des immer Unfertigen, Flüchtigen. Der Raum, nachdem die
Gegenstände fort sind, verwe(a)ist noch immer auf deren verlorene Gegenwart und
befindet sich somit im Bereich zwischen gegenständlich und raumhaft-abstrakt.
Die Dinge, die sich noch finden, irgendwann unter einen Schrank gefallen und
vergessen, sind nun zweck-los und gleichsam ins Form-lose übergehend.
Auch Wände sind solch stumme Lebenszeugen: Risse, die alte Tapeten zum Vorschein
bringen, helle Bilderschatten, ein alter Werbekalender, Aufkleber, Flecken. Nach der
Maueröffnung gab es im Ostteil von Berlin viele fast fluchtartig verlassene Altbau
Wohnungen, in deren Wände sich nicht nur ein unbekanntes Leben, sondern auch eine
nun nicht mehr existente Staatsform eingegraben hat.
Line Wasners Bilder erzeugen den gleichen Eindruck unkenntlich gewordener
Individualität, von Fremdartigkeit, von Verlassenheit. Sie erwecken die Illusion, beredt
von vergangenen Lebensgeschichten zu erzählen, doch dieser Impuls bleibt irgendwo
im leeren Raum und läuft sprichwörtlich ins Leere.
Die Arbeiten zu „Emmi’s Room“ sind Zeugen, die keine mehr sind: Die Vergänglichkeit
ist nun einmal unerbittlich.
Doch hin und wieder lässt sich vermeintlich eine deutlichere Spur der Leere abtrotzen
und man beginnt, Geschichten und Träume zu suchen, Zusammenhänge, sich
offenbarende Geheimnisse.
Und durch die Hintertür hinein spaziert auf einmal Emmi, als wäre sie nie fort gewesen,
unmittelbar in einer Existenz, die doch machtlos ist gegen den unaufhaltsamen Strom
der Zeit.